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Umwelt

[Lydia Klöckner]

Ihr Panzer schützt Schildkröten vor Feinden und Hitze. Doch wie ist er entstanden? 260 Millionen Jahre alte Überreste eines Urzeit-Reptils könnten das

Er schirmt die Sonne ab, schützt vor Fressfeinden, und es gibt ihn sogar mit Leoparden-Muster: Um ihren Panzer könnte man Schildkröten fast beneiden. Wie sie dazu kamen, war Biologen lange ein Rätsel. Viele vermuteten, dass sich die Rippen der Tiere im Laufe der Evolution verbreiterten, bis sie schließlich zu einem  Rückenschild verschmolzen.

Doch zwischen einzelnen Rippen und einem geschlossenen Panzer liegt ein weiter Weg. Japanische Forscher versuchten 2011, diesen anhand der Embryonalentwicklung von Schildkröten zu rekonstruieren. Sie zeigt die Evolution gewissermaßen im Zeitraffer – oder liefert zumindest Hinweise, wie sie abgelaufen sein könnte. Die Beobachtung: Anders als bei den meisten Tieren wachsen die Rippen von Schildkröten nicht um den Rumpf herum, um später den Brustkorb zu bilden. Sondern sie wandern ins seitliche Körpergewebe hinein und regen es an, zu verknöchern. Zugleich verbreitern sich die Rippen, bis sie aneinanderstoßen und zu flächigen Platten verwachsen.

Fertig ist der Panzer.

Vorfahren der Schildkröten sollten demnach schon verbreiterte Rippen gehabt haben. Der Knochenbau von Ur-Schildkröten müsste -wenn das Modell der Japaner stimmt-

der Anatomie heutiger Schildkröten-Embryonen in frühen Entwicklungsstadien geähnelt haben.

Doch zwischen einzelnen Rippen und einem geschlossenen Panzer liegt ein weiter Weg. Japanische Forscher versuchten 2011, diesen anhand der Embryonalentwicklung von Schildkröten zu rekonstruieren. Sie zeigt die Evolution gewissermaßen im Zeitraffer – oder liefert zumindest Hinweise, wie sie abgelaufen sein könnte.

Anders als bei den meisten Tieren wachsen die Rippen von Schildkröten nicht um den Rumpf herum, um später den Brustkorb zu bilden. Sondern sie wandern ins seitliche Körpergewebe hinein und regen es an, zu verknöchern. Zugleich verbreitern sich die Rippen, bis sie aneinanderstoßen und zu flächigen Platten verwachsen. Fertig ist der Panzer.

Vorfahren der Schildkröten sollten demnach schon verbreiterte Rippen gehabt haben. Der Knochenbau von Ur-Schildkröten müsste -wenn das Modell der Japaner stimmt- der Anatomie heutiger Schildkröten-Embryonen in frühen Entwicklungsstadien geähnelt haben.

Um das zu überprüfen, untersuchte der amerikanische Geologe Tyler Lyson von der Yale Universität Fossilien des Eunotosaurus africanus, die der britische Paläontologe Harry Govier Seeley 1892

in Südafrika gefunden hatte. Dieses Urzeit-Reptil lebte vor rund 260 Millionen in Südafrika und wirkt mit seinem kugeligen Rumpf wie eine Schildkröte, der man den Panzer gestohlen hat.

Und tatsächlich: Die Fossilien trugen schon Anlagen für einen Panzer in sich, berichten die Forscher im Magazin Current Biology.

"Eunotosaurus war schon auf dem Weg zur Schildkröte", sagt Mitautor Torsten Scheyer von der Universität Zürich. Die Reptilrippen seien auffällig breit gewesen. Weil sie so viel Platz einnahmen, hatte Eunotosaurus wohl auch nur neun Paare. Die meisten anderen Urzeitreptilien besaßen mehr als 18 Rippenpaare.

Kaum Muskeln zwischen den Rippen.

An der Oberfläche der versteinerten Rippen fanden die Forscher zudem nur leichte Muskelansätze. "Das spricht dafür, dass Eunotosaurus eine schwach ausgeprägte Zwischenrippenmuskulatur hatte", sagt Scheyer. Diese Muskeln dienen bei vielen Tieren dazu, den Brustkorb aufzublähen und zusammenzudrücken und so die Atmung zu steuern. Bei heute lebenden Schildkröten fehlen sie, weil ihre Rippen komplett mit dem starren Panzer verwachsen sind. Schildkröten bewegen Vorder- und Hinterflossen,

um ihre Atmung zu unterstützen.

Außerdem verlagerten sich ihre Rippenmuskeln in Richtung Bauch, wo sie nun eine Art Schlinge bilden, mit der die Tiere ihre Lunge kontrahieren. "Diese Reorganisation

der Atemmuskeln auf die Bauchseite zeichnet sich schon bei Eunotosaurus ab", schreiben die Forscher. Der Ursprung des Schildkrötenpanzers liegt also in dem Fossil, schlussfolgern sie.

Aus Eunotosaurus habe sich demzufolge die urzeitliche Schildkröte Odontochelys semitestacea entwickelt, die vor etwa 220 Millionen Jahren in China lebte und schon einen Bauchpanzer trug.

Von ihren Nachkommen stamme die heutige Schildkröte mit voll entwickeltem Rückenpanzer ab.

Die Theorie klingt schlüssig. Allerdings fußt sie auf der Annahme, dass Eunotosaurus überhaupt ein Vorfahre der heutigen Schildkröten war. Darüber sind sich Evolutionsbiologen keineswegs einig. Denn Schildkröten werden heute meist zur Gruppe der Eureptilien gezählt, zu der auch Krokodile, Eidechsen, Schlangen und Vögel gehören. Eunotosaurus ist aber ein Vertreter der Parareptilien,

die sich parallel zu den Eureptilien entwickelten und später ausstarben.   

"Diese Zuordnung muss aber nicht stimmen", sagt Scheyer. "Es könnte auch sein, dass Schildkröten keine Eureptilien, sondern die letzten lebenden Parareptilien sind."

Denn im Gegensatz zu Krokodilen und anderen Eureptilien hätten Schildkröten keine Schläfenfenster. Diese seitlichen Schädelöffnungen fördern etwa den Aufbau einer kräftigen Kaumuskulatur. Wenn Schildkröten tatsächlich Parareptilien sind, könnte Eunotosaurus ihr Urahne sein.

"Das ist durchaus möglich", sagt der Zoologe Stefan Richter von der Universität Rostock. "Ich wäre aber sehr vorsichtig, die Frage als geklärt anzusehen."

Eunotosaurus, Odontochelys und heutige Schildkröten hätten zwar zweifellos anatomische Ähnlichkeiten. Erbgut-Untersuchungen von Schildkröten zeigten aber, dass sie

eng mit Eureptilien verwandt sind.

 

 

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