Cocainum hydrochloricum Anhang
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stangl]s arbeitsblätter
Kokain (genauer: Kokain-Hydrochlorid) wird aus Kokablättern
gewonnen. Getrocknete Kokablätter bestehen zu 0,2 - 1,3% ihres Gewichts aus
Alkaloiden. Hauptwirkstoff ist das Esteralkaloid Kokain, das ca. 80% der
gesamten Alkaloidmenge dieser Blätter ausmacht. Dieses Alkaloid kann über einen
chemischen Prozess aus der pflanzlichen Basis herausgelöst und in mehreren
Schritten in Kokain-Hydrochlorid umgewandelt werden: In "Rock-Kokain"
(gelb-bräunlich, grobkörnig) oder in einem weiteren Schritt in
"Schnee" (weisse, geruchlose, flockige
Kristalle), dessen Wirkstoffanteil bei bis zu 90% liegt.
Auf dem hiesigen Schwarzmarkt ist das Kokain-Hydrochlorid
die übliche Handelsform des Kokains, das allerdings zur Steigerung der
Gewinnmargen mit diversen Streckmitteln verschnitten ist. Der tatsächliche
Anteil des Wirkstoffes Kokain sinkt so auf einen Bruchteil von oft nur etwa 20%
oder weniger.
Im 19. Jahrhundert von Merck (Darmstadt) erstmalig in
Reinform extrahiert. Das weiße, zartbittere Pulver wird geschnupft, geraucht,
geschluckt und in Kombination mit Opiaten auch gespritzt. Es greift in das Transmittersystem des Gehirns ein.
Kokain war im Gegensatz zu Heroin lange Zeit Teil der
Standard in Kliniken und beim Zahnarzt zur Schmerzlinderung und zur Anästhesie
von Haut und Schleimhaut. Der Extrakt aus der Kokapflanze kann unter
kontrollierten Bedingungen theoretisch ein Leben lang genommen werden, ohne
wesentliche körperliche Schäden zu verursachen.
Freebase ist das Produkt einer chemischen Reaktion mit
Ammoniak, bei der sich das Kokain-Hydrochlorid spaltet und eine rauchbare
Substanz entsteht (normalerweise wäscht man den Ammoniak zuletzt mit Wasser
aus, aber immer noch ein grosser Prozentsatz des
Ammoniaks bleibt enthalten und wird anschliessend mit
der Pfeife bzw. Wasserpfeife oder etwas ähnlichem zusammen mit dem
kristallisierten Kokain, welches zu Pulver verarbeitet wird, geraucht.
Crack ist eine chemische Abwandlung von Kokain. Crack
entsteht durch die Mischung und Erhitzung von Kristallen des
Kokain-Hydrochlorids und Backpulver. Die so entstandenen weißen Kügelchen
machen beim Verbrennen ein knackendes Geräusch - daher der Name Crack. Crack
ist deutlich verunreinigter als Freebase.
Kokain kann geschnupft, gespritzt oder im Prinzip auch
gegessen werden. Nach bestimmten chemischen Veränderungen ist es auch rauchbar
(z.B. Crack oder Freebase). Beim Konsum über die
Nasenschleimhaut (Schnupfen) tritt die Wirkung nach ca. 3 Minuten, beim Rauchen
und Injizieren nach wenigen Sekunden ein. Die euphorische Phase dauert beim
Schnupfen durchschnittlich 30 Min., beim Rauchen etwa 5 bis 10 Minuten und auch
beim Spritzen nur kurze Zeit.
Die geschnupfte mittlere Dosis liegt bei 100 Milligramm,
wobei DauergebraucherInnen Dosierungen bis zu 300
Milligramm benötigen. Die Dosierungen für das Rauchen von Crack oder Freebase liegen bei 50 bis 350 Milligramm. Die mittlere
Rauschdosis für gespritztes Kokain ist schwer festlegbar. Durchschnittlich
liegt sie bei etwa 70 bis 150 Milligramm.
Akute Wirkung
Kokain wirkt auf das Lustzentrum des limbischen
Systems im Großhirn und zwar (im Gegensatz zu Heroin) indirekt: Es gibt
verschiedene Hinweise darauf, daß Kokain den Dopamintransporter blockiert. Der Botenstoff Dopamin kann damit nicht wieder in die Nervenzelle
aufgenommen werden, was zu einer Anreicherung von Dopamin
im synaptischen Spalt führt. Diese Dopaminkonzentration bewirkt auf molekularer Ebene eine
Reihe von Vorgängen, von denen angenommen wird, dass diese Gefühle von
Leistungsfähigkeit und Erfolg bewirken. Wie andere Drogen auch
"belohnt" Kokain also ohne Grund, das heißt, ohne wirkliche
Anstrengungen. Personen, die häufig Kokain konsumieren, laufen deswegen Gefahr,
daß sie ihr Sozialverhalten quasi «verlernen». Sie
wirken oberflächlich, unsensibel, asozial und unbeherrscht, gar aggressiv. Im
akuten Rauschzustand wird die Pulsfrequenz erhöht, Darmbewegung verstärkt und
die Leistungsfähigkeit gesteigert. Mit Abklingen der Wirkung setzt eine
depressive Verstimmung bis hin zu Selbstmordgedanken ein.
Wirkung metabotroper Rezeptoren:
Kokain und andere Suchtmittel hinterlassen Spuren im Gehirn, denn nach der
Einnahme einer Droge kommt es zu einer verstärkten Reizübertragung im Gehirn,
wobei biochemische Prozesse wie beim Lernen die Synapsen
langfristig verändern (drogenvermittelte synaptische
Plastizität), sodass sich mit der Zeit ein zwanghaftes Verlangen nach der Droge
entwickelt (Sucht). Lüscher & Bellone
(2008) konnten zeigen, dass sich diese durch Drogen hervorgerufene Plastizität
wieder rückgängig machen lässt. Sie entdeckten Proteine (metabotrope
Rezeptoren) im Gehirn, die als eine Art Verteidigungssystem gegen Sucht dienen,
indem sie das Verlangen nach der Droge reduzieren. Diese Erkenntnis erklärt,
weshalb gewisse Menschen besonders suchtanfällig sind und andere nicht. Sind
die metabotropen Rezeptoren zu wenig ausgeprägt, kann
der Betroffene das Verlangen nach der Droge nicht mehr kontrollieren.
Möglicherweise hängt dieses biochemische Verteidigungssystem von genetischen
Voraussetzungen ab.
Entzugserscheinungen: Kokain erzeugt nach Ansicht mancher
Fachleute keine körperliche Abhängigkeit, daher treten wenige Entzugserscheinungen
auf. Sehr wohl ist aber die psychische Abhängigkeit gegeben: Nach Abklingen der
Drogeneinwirkung stellt sich eine starke depressive Verstimmung ein, auch
Ängste können entstehen. Daher entwickelt sich ein starker Drang zur
Wiedereinnahme. Da es beim Entzug von Kokain nicht wie bei Heroin zu
schmerzhaften und körperlich strapazierenden Entzugserscheinungenkommt,
wurde Kokain früher manchmal als Droge bezeichnet wurde, "die nicht
abhängig macht". Das Hauptproblem ist die Bewältigung der schweren
psychischen Abhängigkeit von den Glücksgefühlen, welche sich im Gedächtnis
eingenistet haben, sind sehr sehr schwer zu vergessen
oder auch loszuwerden, geschweige denn zu bewältigen. Es gibt jedoch Hinweise
darauf, dass das Rauchen und Spritzen von Kokain neben den psychischen
ebenfalls zu einer körperlichen Abhängigkeit führt.
Therapie: Bisher sind beinahe alle therapeutischen Versuche,
die Kokainabhängigkeit zu beeinflussen, gescheitert. Die einzige gut belegte
Ausnahme ist die Verschreibung von Heroin, denn Patienten mit legalem
Heroinbezug reduzieren ihren Kokain-Beikonsum oder
schränken ihn drastisch ein. Aber Kokain kann aggressiv machen, da der
Wirkstoff den Rücktransport des Neurotransmitters Dopamin in die Nervenzellen und damit seinen Abbau
verhindert. Dies bewirkt eine Überreizung, die von den Konsumenten als
"Flash" (als heftiger Höhepunkt) wahrgenommen wird, auf dem sie sich
für kurze Zeit allmächtig und grossartig vorkommen.
Heroin hingegen beruhigt stark, unterdrückt Schmerz und macht eher
"glücklich".
Chronischer Mißbrauch: Es kann zur
Kokainhalluzinose kommen, welche sich in Mißempfindungen auf der Haut, Kribbelgefühl und starkem
Juckreiz äußern. Oft kommt es zu Angstzuständen, schweren Depressionen,
Halluzinationen und einem Verfolgungswahn, der in aggressive und selbstschädigende Handlungen mündet. Neigung zu
epileptischen Anfällen steigt.
Der Konsument erfährt einen plötzlichen und sehr starken
Rausch mit einer ausgeprägten Euphorie, die wiederum ebenso plötzlich in einen
Zustand von Rastlosigkeitund Erregung umschlagen
kann. Es sind keine körperlichen Entzugserscheinungen bekannt, doch es herrscht
ein starker Drang zu Wiedereinnahme der Droge. Crack wird erzeugt mit Kokain
Base, welche mit Wasser und Backpulver aufgekocht wird. Crack wird geraucht und
damit sehr rasch über die Lungen ins Blut und damit ins Gehirn aufgenommen.
Chronischer Konsum bewirkt
Bluthochdruck
Herz-Kreislaufprobleme
Neigung zur
Lungenentzündung
chronischer
Appetitmangel
Empfindungsstörungen im Bereich der Haut und der Extremitäten
Nebenwirkungen: Das Inhalieren durch die Nase beschädigt die
Schleimhäute, und kann Bronchitis verursachen, beim intravenösen Spritzen holt
man sich leicht Infektionen. Die HIV-Infektion iund
Hepatitis C sind nur einige von vielen Krankheiten, die sich über mehrfach
verwendetes Spritzenbesteck ausbreiten. Es gehört zum Ritual vieler
Kokainkonsumenten, das Wasser für die Spritze aus einem gemeinsamen Behälter
aufzuziehen. Fast die Hälfte der Kokainfixer teilt die Spritzen mit anderen
Süchtigen. Kokainkonsumenten haben deshalb ein deutlich höheres Hepatitis- und
HIV-Infektionsrisiko als andere Süchtige (etwa Heroinabhängige).
Nach neuesten Untesuchungen
verdoppelt Kokain das Risiko, an grünem Star, dem Glaukom, zu erkranken. Ein
Glaukom ist eine der häufigsten Erblindungsursachen, in Amerika sogar die
zweithäufigste. Eine Studie der Indiana University School of Medicine entdeckte 2011, dass es einen Zusammenhang zwischen Kokainsucht und der Augenerkrankung gibt, wonach Kokainkonsumenten ein um 45% erhöhtes Risiko haben, an grünem Star zu erkranken. Zwar sei ein
kausaler Zusammenhang noch nicht bewiesen, dennoch sei es unwahrscheinlich,
dass die Augenerkrankung dem Drogenmissbrauch vorausgegangen sei, da
Drogenmissbrauch meist in jüngeren Jahren beginne, grüner Star hingegen eine
Alterserscheinung darstellt. Diese Studie erschien in der Fachzeitschrift
„Journal of Glaucoma“.
Quelle: Online Focus vom 2. 10. 2011
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