Tudorella sulcata = Landschnecke

 

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Schnecken Schleimer auf großer Fahrt

Frühe Seefahrer sorgten für die Verbreitung einer Landschnecke.

Die Landschnecke Tudorella sulcata ist ein unscheinbares Tier. Sie lebt versteckt im Geröll der Küsten Südfrankreichs, Sardiniens und Algeriens. Im Lauf ihres Lebens legt sie keine großen Strecken zurück. Deshalb wunderten sich Forscher schon seit einiger Zeit, wieso das Weichtier einen so großen, zerrissenen Lebensraum hat – die Küsten waren zuletzt vor 30 Millionen Jahren direkt miteinander verbunden.

»Für eine Landschnecke ist es ungewöhnlich, kein zusammenhängendes Verbreitungsgebiet zu haben«, sagt der Biologe Markus Pfenninger vom Institut für Ökologie, Evolution und Diversität in Frankfurt. Wie also verbreiteten sich die langsamen Kriecher? Und wo begann ihre Reise?

Mithilfe von molekularen Markern und neuen statistischen Methoden haben Pfenninger und seine Kollegen die Besiedlungsgeschichte jetzt rekonstruiert. Sie fanden heraus, dass die weiß bis

orange-rötlich schimmernden Schleimer aus Italien stammen und die Mittelmeerküsten mit größter Wahrscheinlichkeit bereits vor 8.000 Jahren zu erobern begannen. Von Sardinien nach

Algerien und anschließend in die südfranzösische Provence ging die Reise.

138 Schnecken aus 28 Gebieten mussten für diese Forschung dran glauben. Präzise wurden ihnen Teile des Fußmuskels entfernt. Die Forscher entschlüsselten die DNA und ermittelten daraus

die Verwandtschaftsbeziehungen.

Nun ist Tudorella sulcata an sich ein sehr ruhiges, geradezu passives Wesen. Aktiv wird sie – falls überhaupt –, wenn es regnet. »Also nur an ganz wenigen Tagen im Jahr«, sagt Pfenninger. Umtriebig ist anders.

Wie also konnte die Schnecke das Mittelmeer überwinden? Zwei Möglichkeiten schlossen die Forscher gleich aus. Erstens: Vögel. »Es gibt keine Zugvögel, die eine Schnecke dieser Größe überhaupt transportieren könnten«, erklärt der Molekularbiologe. Mit 15 bis 20 Millimetern Höhe ist die Schnecke nämlich ein ganz schöner Brocken.

Zweite Vermutung: Könnten einige der Schnecken mit der Meeresströmung, etwa auf einem Baumstamm treibend, mehrere Wochen quer über das Mittelmeer gereist sein, um neue Ufer zu

erobern? »Erwiesenermaßen laufen die Strömungen genau umgekehrt zur Ausbreitungsrichtung der Tiere«, sagt Pfenninger.

Bleibt nur noch eine Möglichkeit: der Mensch. Die Ausbreitung der Schnecken überschneidet sich verblüffend gut mit der des Homo sapiens in der Jungsteinzeit. Damals verbreitete sich die neolithische Kultur im westlichen Mittelmeerraum, Seehandelswege wurden eingerichtet. »Das spiegelt sich unter anderem darin wieder, dass Feuerstein von Sardinien bis nach Nordafrika gehandelt worden ist«, erklärt Pfenninger.

Die kleinen Schnecken hatten somit leichtes Spiel. Ob sie allerdings absichtlich, etwa als Schmuck, mitgenommen wurden oder sich als blinde Passagiere an die Schiffe hefteten, wird wohl weiterhin ein Geheimnis bleiben.

 

 

Arion vulgaris = Spanische Wegschnecke

 

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Das unterschätzte Tier Freiheit für die Wegschnecke, weg mit dem Salat!

Die Wegschnecke wird als Gartenschädling gejagt. Es ist Zeit, neben ihren vermeintlichen Heilkräften auch ihren echten Beitrag zum Artenschutz zu würdigen.

Sie liebt es feucht und frisst vorzugsweise alles, was der Garten so hergibt. Nach einem Sommerregen trifft man massenweise Wegschnecken auf Wiesen zwischen frisch gewaschenen Grashalmen oder in Salatköpfen in Gemüsebeeten an.

Nein, besonders beliebt sind die nackten, runzeligen Landschnecken bei den meisten Menschen sicher nicht. Zumal ihnen die kugelige Behausung fehlt, die ihre Verwandten ein wenig niedlicher und angezogener erscheinen lässt. Die obdachlosen Schleimer sind zäh, vermehrungsfreudig und fressen vom zarten Kopfsalat über Aas alles, was ihnen zwischen Kiefer und Raspelzunge kommt.

Arion vulgaris gilt in unseren Breiten als bedeutsamer Schädling. Nur eine Minderheit kann der Schnecke Gutes abgewinnen. Immerhin hat man sie als Quelle für einige Hausmittelchen entdeckt, was der Schnecke den Tod bringen kann: Lebend verzehrt, lindert die Wegschnecke gastritische Leiden, heißt es.

Besonders schleimgläubige Selbstheiler schwören darauf, dass Warzen oder Hühneraugen verschwinden, wenn man – Achtung: nur bei Vollmond! – eine Wegschnecke über die betroffene Stelle kriechen lässt. Solche Wunderheilungen wurden oft beobachtet. Immerhin überleben die Tiere den Marsch über die Warze. Wissenschaftliche Belege für die Heilkraft fehlen.

Als Wegschnecken (Arionidae) bezeichnet man Landschnecken, von deren Schale im Laufe der Evolution nur noch wenige Kalkkörnchen übrig geblieben sind. Das schützende Gehäuse ersetzt diese Art der Nacktschnecke durch einen besonders klebrigen Schleim, den sie mittels einer Schleimdrüse oberhalb der Schwanzspitze produziert.

Hierzulande unterscheidet man 3 große Arten: die Rote Wegschnecke (Arion rufus), die Schwarze Wegschnecke (Arion ater) und die Spanische Wegschnecke (Arion vulgaris).

Den Schnecken selbst hilft der Schleim dabei, elegant über trockenen Boden zu schweben. Und er bindet Wasser, was vor dem Austrocknen schützt. Ihre Glibberschicht macht sie für einige Feinde ungenießbar. Werden die Schnecken trotzdem angegriffen, ziehen sie sich schnell zu einem harten, widerstandsfähigen Haufen zusammen. Igel rollen sie allerdings manchmal so lange durch den Garten, bis der Schleim ab ist – und beißen dann zu.

Auch gegen grobe Gartenfreunde, die den Schnecken mit Bierfallen nachstellen, sie benommen machen und dann erschlagen oder verbrennen, hilft diese Einrollstrategie nicht. Genauso wenig, wie gegen Forscher, die an ihnen Chemikalien testen. Da der Mensch sie in der Rangordnung der Tiere niedriger einstuft, gelten Wegschnecken als guter Ersatz für höher entwickelte Versuchsratten, -mäuse oder -kaninchen. Ist das fair?

Schnecken machen den Boden fruchtbar

Echte Naturfreunde sollten den Schnecken anrechnen, dass sie als Allesfresser einen Beitrag zur Zersetzung von totem Pflanzenmaterial in Humus leisten. Etwas, wovon auch Gärtner profitieren. Als Aas- und Kotfresser verhindern sie außerdem die Ausbreitung von Seuchen. Und als Nahrungsgrundlage für die Fressfeinde, die sich nicht vom Schleim abschrecken lassen, tragen sie zur Artenvielfalt der Vögel, Insekten, Reptilien und einiger Säugetiere bei.

Salat oder Schnecke? In dieser Frage müssen sich Gärtner entscheiden. Ihnen bliebe immer noch ein Beet voller Lavendel, Salbei, Kapuzinerkresse und Vergissmeinnicht. Denn so ein duftender Kräutergarten ist für Schnecken so eklig wie ihr Schleim für viele Menschen.

 

Vergleich: Siehe: Molluscae

 

 

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