Ritalin (Methyl-p.) Anhang
[werner werner
stangl]s arbeitsblätter
Ritalin gehört zur
Gruppe der Amphetamine und unterliegt dem Betäubungsmittelgesetz, daher ist
jede Verschreibung meldepflichtig. Es ist anregend und produziert
pharmakologische Effekte, die denen von Kokain und
anderen
Amphetaminen ähnlich sind. Methylphenidat wird auch für die Behandlung der
Narkolepsie (eine Schlaf-Wach-Störung mit Symptomen wie Tagesschläfrigkeit,
Kataplexie, fraktioniertem Nachtschlaf, auch
übersetzt als
"unerholsamer Schlaf") eingesetzt. Die Zunahme der Produktion und
Verwendung dieser Droge in den letzten Jahren kann jedoch im Wesentlichen auf
die Behandlung von ADD-Kindern zurückgeführt werden.
Eine zunehmende
Anzahl von Mißbräuchen ist in neuerer Zeit auf Jugendliche zurückzuführen, die
Methylphenidate wegen ihrer anregenden Wirkungen nehmen: zur Vertreibung von
Müdigkeit, zur
Aufmerksamkeitssteigerung,
um nächtelang studieren zu können oder um die euphorisierende Wirkung zu
erleben. Pharmazeutische Tabletten werden zumeist oral eingenommen oder auch
pulverisiert nasal. Einige
Abhängige lösen
die Tabletten in Wasser und spritzen, wobei die unlöslichen Füllmittel der
Tablette kleine Blutgefäße verstopfen und ernsthafte Schäden in der Lunge und
der Augennetzhaut verursachen können. Mitte
der 90er Jahre
wurde in den USA das Medikament zur Party-Droge, das Schulkinder in
pulverisierter Form wie Kokain schnupften.
Wirkungen und Nebenwirkungen
Ritalin soll nach
Herstellerangaben Kindern mit "hyperkinetischen Verhaltensstörungen im
Rahmen einer Gesamttherapie" verordnet werden. Es ist kein Heilmittel,
sondern unterdrückt lediglich Symptome und muss
daher
kontinuierlich eingenommen werden. Ob Ritalin abhängig macht, ist umstritten.
Wirkungen nach Rätsch (1998):
stimmungsaufhellend und euphorisierend
vermittelt ein Gefühl erhöhter Energie
steigert die Aufmerksamkeit, Wachheitsgrad
und Leistungsfähigkeit
senkt den Appetit
vertreibt Müdigkeit
Blutdruck und Puls steigen
Pupillen erweitern sich
Muskulatur wird stärker durchblutet
Sauerstoff- und Glucosekonzentration im
Blut steigen an
Zum Teil können auch empathogene und
halluzinogene Effekte auftreten.
Mögliche
Nebenwirkungen: Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit und Magenbeschwerden.
Niedrige orale Dosen (2,5-20 Milligramm) führen zu Reaktionen, die den
biochemischen Vorbereitungen des Körpers in Schreck-,
Flucht- oder
Angriffsreaktion entsprechen: erhöhter Blutdruck, beschleunigter Puls,
entspannen der Bronchialmuskulatur, gesteigerte Aufmerksamkeit, Euphorie,
Erregung, Wachheit, ein vermindertes Müdigkeitsgefühl, Appetitverlust,
Stimmungsaufhellung, verstärkte motorische Aktivität und Rededrang, die
Leistungsfähigkeit nimmt kurzzeitig zu, Geschicklichkeit und Feinmotorik können
sich verschlechtern. Diese unerwünschten
Wirkungen klingen
mit steigender Therapiedauer oft ab. Weitere Nebenwirkungen sind
Übererregbarkeit, Müdigkeit, Traurigkeit, Ängstlichkeit, Weinerlichkeit,
Kopfschmerz, Schwindel, Gewichtsverlust, Mundtrockenheit, Durchfall und Verstopfung.
In mäßigen Dosen
(20-50 Milligramm) kommt es zur Stimulierung der Atmung, leichtem Zittern,
Unruhe, weitere Steigerung der motorischen Aktivität, Schlafstörungen und
ausgeprägteren Erregungszuständen. Müdigkeit
und Appetit werden
stärker unterdrückt. Überdosierung führt z.B. zu Krämpfen, Fieber, Zittern bis
hin zu Kreislaufkollaps und Atemlähmung. Diese unerwünschten Wirkungen klingen
mit andauernder Einnahme häufig ab.
Nach längerer
Anwendung können beim plötzlichen Absetzen ausgeprägte Depressionen und
Müdigkeit als Entzugssyndrom auftreten. Die vollständige Normalisierung des
Schlafmusters kann einige Wochen dauern. Wechselwirkungen beim Mischkonsum mit
anderen Substanzen sind risikoreich: Mit Alkohol sind Wechselwirkungen nicht
kalkulierbar, eine Alkoholvergiftung ist möglich. Cannabis kann die Wirkung von
Ritalin verstärken,
es können
Halluzinationen auftreten! Mit Ecstasy eingenommen wird der Kreislauf stark
belastet, ein stärkerer Flüssigkeitsverlust ist möglich. Ängstliche Personen,
Personen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck,
Schilddrüsenüberfunktion und psychischen Erkrankungen (Schizophrenie,
Tourette-Syndrom, Depression etc.) und Schwangere sollten kein Ritalin
konsumieren. Eine Studie des M. D. Anderson Cancer Center (Universität Texas)
äußert die Vermutung, dass Methylphenidat möglicherweise krebserregend ist. In
dieser Studie zeigten sich bei 12 Kindern (Standarddosengabe) nach drei Monaten
chromosomale Abweichungen (wie z.B. Mutationen). Der Zusammenhang zwischen
chromosomalen Abweichungen und Krebs ist gut dokumentiert.
Schmidt (o.J.)
berichtet über die Entstehungsgeschichte: "Es begann alles damit, dass der
Pharma-Chemiker L. Panizzon im Jahre 1944 rein zufällig Methylphenidat
entdeckte, wovon seine Frau Rita naschte und die belebende Wirkung lobte,
weswegen der Stoff dann auch "Ritalin" getauft wurde. Man hatte also
nicht ein Medikament zur Therapie einer bereits existierenden Krankheit gesucht
o. gefunden, sondern zufällig einen Wirkstoff (ein Amphetaminderivat), von dem
man noch gar nicht recht wusste, wofür er zu gebrauchen sein könnte. K. Conners
und L. Eisenberg gaben dann später einen verwandten Wirkstoff, Dexedrine, versuchsweise
an zwei Schulklassen mit farbigen Unterschichtkindern in Baltimore, USA. Und
siehe da: das ansonsten nervige und rüpelhafte Verhalten der Schüler
"normalisierte" sich auffallend. Es war ein Mittel gefunden, das
Verhalten der Kinder an Ghetto-Schulen chemisch zu beeinflussen. Man merke: Es
lagen nicht irgendwelche medizinischen Diagnosen bei den Kindern zugrunde. Es
waren einfach verhaltensschwierige Ghetto-Kids, deren Sozialverhalten chemisch
angepasst werden sollte, anstatt an ihren chronisch traumatisierenden
psychosozialen Verhältnissen sozialpolitisch etwas zu verbessern. Aber damit
hatte man immer noch keine richtige Krankheit gefunden, gegen die das Mittel
helfen sollte. Denn dass man verhaltensschwierige und psychosozial
benachteiligte Kinder mit einem Psychopharmakum einfach nur chemisch
ruhigstellt, hätte natürlich niemand so ohne weiteres akzeptieren können. Das
wäre ein Skandal gewesen. Also musste man eine offizielle medizinische
Krankheit finden, denn anders ließ sich das Mittel auch nicht erfolgreich
vermarkten. Zunächst verfiel man auf die Idee, dass Kinder eben krank seien,
wenn das Mittel bei ihnen wirkte, wenn nicht, waren sie einfach gesund. Man
nannte die Krankheit zunächst "funktionelle Verhaltensstörung", was
die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA aber bald untersagte, weil es zu
unspezifisch sei. Prompt wurde das Leiden umbenannt in "minimale zerebrale
Dysfunktion (MCD)", was sich aber wissenschaftlich auch als unbrauchbares
Konstrukt erwies (z.B. Schmidt, M.H. 1992). Daraufhin geisterte das Syndrom
"hyperkinetische Störung" durch Kindergärten und Schulen, bis der
amerikanische Psychiatrieverband endlich das Kürzel "ADHS" erfand
(nach Blech 2003)."
Aufmerksamkeitsstörungen
wurde um die Jahrtausendwende zur "Modediagnose". Fachleute warnen
daher vor einer bedenkenlosen Anwendung des Arzneimittels, denn nicht jedes
unruhige, lebhafte Kind ist hyperaktiv.
Kinderärzte und
-psychiater sind mit der exakten Diagnose überfordert und greifen auch bei
anders gearteten Störungen vorschnell zum Ritalin-Rezept. Ritalin beeinflußt
den Stoffwechsel des Gehirns, so die gängige Theorie.
In den
Hirnregionen, in denen Aufmerksamkeit und Bewegung gesteuert werden, fehlt der
Neurotransmitter Dopamin. Neurotransmitter sind chemische Substanzen, die an
den Synapsen (Endungen von Nerven) freigesetzt
werden und bei der
Kommunikation der Neuronen vermittelnd eingreifen. Sie haben also die Funktion
eines Botenstoffes. Dopamin ist so ein Signalübertragungsstoff und beeinflusst
im zentralen Nervensystem emotionale
und geistige
Reaktionen und steuert Bewegungsentwürfe, z.B. die Mimik. Störungen im
Dopaminhaushalt werden bei verschiedenen Erkrankungen beobachtet bzw. vermutet:
So ist z.B. die Parkinson-Krankheit auf einen Dopaminmangel in bestimmten
Bereichen des Gehirns zurückzuführen. Auch bei Schizophrenie dürfte ein
Ungleichgewicht im Vergleich zum gesunden Menschen vorliegen. Neben seiner
Funktion als erregender
Neurotransmitter
ist das Dopamin als Vorstufe des Noradrenalin und Adrenalin von Bedeutung.
Durch das Fehlen von Dopamin ist die Datenverarbeitung im Gehirn gestört. Warum
das so ist, haben die Forscher bisher nicht entschlüsselt. Ebensowenig wissen
sie, was bei der Einnahme von Ritalin im Gehirn tatsächlich passiert und warum
man die meist hyperaktiven Kinder mit einem aufputschenden Mittel
paradoxerweise so weit beruhigen kann,
dass sie dem
Unterricht folgen und für einige Stunden angemessen funktionieren können. So
haben z.B. Forschungsarbeiten gezeigt, dasbei intravenöser Applikation
Methylphenidat den Transportmechanismus DAT des Neurotransmitters Dopamin
blockiert, wodurch die Dopaminkonzentration im Gehirn steigen kann. Es war aber
nicht bekannt, inwieweit die üblicherweise bei ADHD oral eingenommenen
therapeutischen Mengen (in den USA häufig 10 - 20 mg/2 - 4 mal täglich)
ebenfalls zu einer signifikanten Änderung des Dopamin-Levels führt. Nora D.
Volkov et al. ist es gelungen, die Änderung des Dopamin-Levels nach der
Einnahme von Methylphenidat-
Tabletten zu
messen. Dabei zeigte sich, dass der Wirkstoff auch bei oraler Einnahme den
Transportmechanismus blockiert (im Versuch 50 - 75%) und dadurch zu der
angestrebten Erhöhung der Dopamin-Konzentration beiträgt. Diese Erhöhung fiel
allerdings bei den Testpersonen in recht unterschiedlichem Ausmaß aus. Die
Ursache dafür soll noch weiter untersucht werden, da hier die Antwort dafür
liegen könnte, warum das Medikament nicht bei
allen Patienten
(gleich) wirkt. Das Ergebnis des New Yorker Forscherteams passt zu anderen
Forschungsergebnissen, die bei ADHD Patienten eine erhöhte Tätigkeit des
Transportmechanismus DAT gefunden haben, wodurch
der Botenstoff
Dopamin zu schnell aus den Zellen entfernt wird. An der Untersuchung nahmen 11
Männer im Alter zwischen 20 und 40 Jahren teil. Die Testpersonen litten nicht
unter ADHD. Die Wissenschafter meinen, daß es keinen Grund gibt daran zu
zweifeln, daß die Dopamin-Konzentration auch bei ADHD-Patienten nach Einnahme
von Methylphenidat steigt. Das Ausmaß dieser Steigerung könnte allerdings
unterschiedlich sein. Auch müsse
noch durch weitere
Forschungsarbeiten geklärt werden, ob die Wirkung des Medikaments auf den
Transportmechanismus DAT bei dauerhafter Anwendung nachlässt. Die Wirkung von
Methylphenidat wurde mit Hilfe des Abbildungsverfahrens PET (Positronen-Emissions-Tomographie)
im Striatum, einem Teil des Endhirns, gemessen. Die Ergebnisse dieser Studie
haben zusätzliche Erkenntnisse über die Wirkung von Ritalin (hier wird der Wirkstoff
meist gespritzt) bei missbräuchlicher Verwendung durch Drogenkonsumenten
gebracht. Die Einnahme als Tablette hat offensichtlich nicht den gleichen von
Drogenkonsumenten erwünschten Effekt. Aus dieser Beobachtung ergibt sich die
Frage, ob der Wirkstoff Methylphenidat möglicherweise bei oraler Einnahme nicht
bzw. zu wenig wirkt. Die Forscher führen in ihrem Bericht im Journal of
Neuroscience an, dass die Dopaminkonzentration bei oraler Einnahme im
vergleichbarem Ausmaß zur intravenösen Applikation steigt. Trotzdem hätten die
Testpersonen kein "High"-Gefühl berichtet, wie Testpersonen in
früheren Studien, die den Wirkstoff intravenös verabreicht bekamen. Das führen
die Wissenschafter auf die unterschiedliche Zeitspanne bis zur vollen Wirkung
zurück. Nach der intravenösen Applikation steigt die Dopaminkonzentration
innerhalb
weniger Minuten,
bei oraler Einnahme dauert es circa 1 Stunde, bis die volle Wirkung erreicht
ist und dieser längere Zeitraum gibt den Körper die Gelegenheit zur langsamen
Anpassung. Ritalin greift wie Kokain in den Dopaminstoffwechsel ein, sodass es
Kokainabhängigen helfen könnte, von der Sucht wegzukommen vergleichbar Methadon
bei Heroinsucht. Kokainabhängige können ähnlich wie Menschen mit dem
Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom ihre Impulse schlecht kontrollieren, also
spontane Reaktionen schlecht unterdrücken. In einem Experiment in den USA
erhielten Testpersonen, die 8 bis 18 Jahren lang regelmäßig Kokain konsumiert
hatten, Methylphenidat injiziert. Bei Reaktionstests am Computer unterzogen
schnitten die Probanden besser ab als die Kontrollpersonen des Versuchs, die
nur eine Salzlösung injiziert erhalten hatten. Im Gehirn der Testpersonen hatte
dabei die Droge im präfrontalen Cortex auch die Aktivität der Nervenzellen
verändert. Viele suchen aber den massiven Kick von Kokain und werden mit dem
Ersatzstoff daher weniger anzufangen wissen als manche Heroinsüchtige mit
Methadon, wobei auch Methadon bei einer beträchtlichen Anzahl von
Heroinkonsumenten versagt und daher in manchen Ländern an diese Heroin
abgegeben wird. Hohe Dosen von Ritalin können zumindest
im in
Belohnungszentrum des Gehirns von Mäusen Veränderungen verursachen, die jenen
bei Kokainabhängigen ähneln. Nora Volkow, die Direktorin des Nationalen
Instituts für Drogenmissbrauch in den USA warnte davor, Kinder und Jugendliche
mit ADHS mit Ritalin oder ähnlichen Präparaten zu behandeln. Nach neueren
Untersuchungen im Tierversuch verändert Methylphenidat die synaptischen
Verknüpfungen in der Amygdala, sodass also
eine über die
Dauer der Anwendung hinaus bestehende Wirkung bestehen könnte. Ob dies positive
oder doch eher nachteilig für den Anwender ist, lässt sich aus
tierexperimentellen Studien schwerlich ableiten. ADD ist schwer
zu
diagnostizieren. Die aufwendigen Magnetresonanzaufzeichnungen des
Gehirnstoffwechsels, mit denen amerikanische Forscher das Fehlen von Dopamin
nachgewiesen haben, ist in der kinderärztlichen und -psychologischen Realität
nicht möglich. Somit ist die Gefahr, dass Ritalin auch Kindern verabreicht
wird, deren Verhaltensauffälligkeit aus anderen Gründen herrührt, groß. Vor der
Diagnose von ADD müssen andere Ursachen für auffälliges Verhalten abgeklärt
werden:
Depressive und bipolare Störungen
Angststörungen
Suchterkrankungen wie Alkoholabhängigkeit,
Spielsucht, Esstörungen etc.
Störungen mit oppositionellem Trotzverhalten
/ Verhaltensstörungen bei Kindern
Lernstörungen, insbesondere Schreib- und
Leseschwäche
Psychotische Erkrankungen und
Entwicklungsstörungen
Zwangsstörungen
Persönlichkeitsstörungen
Tic-Störungen
Hypo- und Hyperthyreoidismus
Schlafstöungen
Erberkrankungen (Chromosomale Störungen wie
z.B. Klinefelter-Syndrom)
Hirnverletzungen, Traumata
Bei 70 - 80% der
Kinder treten nach der Einnahme von Ritalin die angestrebten Veränderungen im
Verhalten ein. Ritalin ist jedoch kein Heilmittel. Das erwünschte Verhalten
muss über andere Therapieformen eingeübt und gefestigt werden. In erster Linie
ist eine Verhaltenstherapie angebracht, aber auch Entspannungsmethoden,
Ergotherapie Übungen aus der Psychomotorik können hilfreich sein, eventuell
auch homöopathische Präparate. In
einer nicht zu
unterschätzenden Zahl von Fällen kann eine Umstellung der Ernährung Erfolge
bringen. Sowohl der grundsätzliche Verzicht auf Behandlung mit Methylphenidat
als auch die ausschließliche Behandlung mit Methylphenidat ohne begleitende
psychotherapeutische Interventionen sowie die Hochdosisbehandlung mit
Methylphenidat sind nach der Stellungnahme der Fachverbände für Kinder- und
Jugendpsychiatrie und Psychotherapie
in Deutschland als
unzureichende Behandlungsstrategien abzulehnen. Die verschriebene Menge hat
sich in letzten Jahren von 1995 mit 0,7 Millionen Tabletten zu 1999 mit 31
Millionen Tabletten vervierzigfacht. Damit
kommen ähnliche
Verhältnisse auf uns zu wie in den USA, wo Apotheken zu Schulbeginn mit
"Ritalin im Sonderangebot" werben.
Die jetzt
gegründete Arbeitsgruppe Entwicklungspharmakologie, die im Zusammenhang der
Forschungen des Göttinger Neurobiologen Hüther entstanden ist, versucht dieses
"Wundermittel" für gestresste Eltern wissenschaftlich zu untersuchen.
Hüther weist darauf hin, dass es noch quasi keine Forschungen zu der Frage
gibt, wie sich die Ritalin-Gabe auf die Entwicklung des menschlichen Gehirns
auswirkt. Experimente mit Kindern können aus
ethischen Gründen
nicht gemacht werden, aber solche mit Ratten weisen eindeutig darauf hin, dass
Methylphenidat (Ritalin) die Ausreifung des dopaminischen Systems negativ
beeinflusst. Auch Langzeitforschungen über Nebenwirkungen sind dünn gesät.
Darüber hinaus ist die Theorie "Stoffwechselstörung" eine Annahme -
zwar mittlerweile gängig, aber noch nicht bewiesen. Vor allem Ursache und
Wirkung sind noch keinesfalls geklärt:
Auch psychosoziale
Einflüsse verändern nämlich die Stoffwechselprozesse im Gehirn, so dass die
einseitige Ursachenzuschreibung "genetischer Defekt des
Stoffwechselsystems" auf sehr wackeligen Füßen steht. Ein Großteil
der in der BRD
tätigen (nicht-medizinischen) Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten steht
dem neuen Trend, die ADD-Diagnose massenweise zu verteilen und mit Ritalin zu
behandeln, ebenfalls sehr kritisch gegenüber.
Ein Großteil der
als ADD diagnostizierten Beeinträchtigungen sind bei genauer Diagnostik als
andere psychische Störungen zu kennzeichnen, oder aber die ADD-Diagnose ist
zumindest als alleiniger Verursacher der vorhandenen Probleme des Kindes sehr
fraglich. Mittlerweile entsteht ein Trend, "normale", nur etwas
lebhafte Kinder mit der ADD-Diagnose zu belegen und Ritalin zu verschreiben,
gemäß der zirkulären Diagnose: wenn Ritalin wirkt, liegt ADD vor. Selbst die
(medizinischen) Kinder- und Jugendpsychiater geben in ihren Leitlinien die
Empfehlung zu sorgfältiger Differentialdiagnostik und zurückhaltender
Medikation. Siehe z.B. die offizielle Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft
für Kinder- und Jugendpsychiatrie http://www.dgkjp.de/stellung.htm.
Man kann vermuten,
daß es sich bei den Phänomenen, die heutzutage einfach unter der Diagnose ADD
zusammengefasst werden, um eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Phänomene mit
unterschiedlichen Ursachen (teils neurophysiologisch, teils psychosozial, teils
psychodynamisch) handelt. Insofern ist von einer rein symptomatologischen
ADD-Diagnostik nicht viel zu halten und die standardmäßige Verschreibung von
Ritalin, teils ohne Effektüberprüfung, müsste kritischer unter die Lupe
genommen werden. Im Übrigen sollte man fragen, wer am meisten Interesse daran
haben könnte, dass es so etwas wie eine organisch begründete
"Krankheit" ADD gibt und
mit Medikamenten
behandelt wird, und das gleich massenweise ...
ADD steht für das
englische "Attention-Deficit-Disorder" und bezeichnet eine Diagnose,
welche primär durch erhebliche Beeinträchtigungen der Konzentration und
Daueraufmerksamkeit, der Selbststeuerungsfunktionen, der Planungs- und
Handlungskontrolle, durch Störungen der Impulskontrolle sowie fakultativ durch
motorische Hyperaktivität gekennzeichnet ist (ADHD). Im deutschsprachigen Raum
wird für die ADD/ADHD der Terminus
ADHS und teilweise
auch ADS verwendet. In der Schweiz ist ADD auch unter dem Begriff „POS"
bekannt.
Kinder mit
Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsstörungen (ADD) sind in ihrer psychischen
Entwicklung, schulischen und beruflichen Bildung sowie sozialen Integration
gefährdet. Übermäßige motorische Unruhe, gestörte Aufmerksamkeit, Impulsivität
und leichte Erregbarkeit erschweren die Lebensführung, so daß der Leidensdruck
groß ist. Die Störung hat danach Krankheitswert, sie ist deshalb von der WHO in
den Katalog der seelischen Erkrankungen aufgenommen worden.
Die Behandlung von
Kindern mit hyperkinetischen Störungen sollte nur erfolgen, wenn sie sich auf
eine Diagnostik stützt, die sich auf Untersuchungsbefunde zu störungsrelevanten
körperlichen, kognitiven und psychischen Funktionen sowie sozialen Bindungen
bezieht. Deshalb sind eine somatischneurologische Untersuchung (Körpergröße,
Körpergewicht, Herzfrequenz, Blutdruck), eine Labordiagnostik
(Differentialblutbild, Elektrolyte,
Leberstatus,
Schilddrüsen und Nierenfunktionswerte) ein Ruhe-EEG und eine kognitive
Leistungsdiagnostik unerlässlich. Notwendig ist eine orientierende
Familiendiagnostik und Verhaltensanalyse.
Die medikamentöse
Behandlung ist Teil psychotherapeutischer und spezifisch pädagogischer
Betreuung des Kindes in Kooperation mit Familie und ggfs. mit Kindergarten, Schule
und anderen, das Kind betreuenden
Einrichtungen. Die
bloße Beschränkung auf die Pharmakotherapie missachtet elementare Bedürfnisse
und Ansprüche der Kinder und widerspricht den Regeln guter klinischer Praxis
ebenso wie das Diagnostizieren oder
Rezeptieren ohne
Untersuchung.
Die ärztliche
Therapiekontrolle hat regelmäßig Essverhalten, Wachstum, Herz- und
Kreislauffunktionen sowie die allgemeine Verhaltensentwicklung (Auftreten von
Tics?) zu überwachen, letzteres ggfs. unter Einsatz von eingeführten Skalen zur
Verhaltenseinschätzung.
Nach Max Friedrich
(Universitätsklinik für Neuropsychiatrie des Kindes- und Jugendalters in Wien)
werden pro Jahr etwa 2500 Kinder vorgestellt; darunter sind etwa 20 mit einem
echten ADS, also knapp 10 Promille.
Etwa 15% sind nur
nervös im Sinne des "Zappelphilipp". Somit besteht der Verdacht, dass
die meisten Kinder, die auf Ritalin gesetzt werden, das Leiden gar nicht haben,
das diese Verordnung begründen könnte.
Nach dem
gegenwärtigen Forschungsstand zeichnet sich ein weiterhin kontroverses Bild ab.
Einerseits sprechen theoretisch-pharmakologische Überlegungen wie auch eine
Reihe tierexperimenteller und klinischer Ergebnisse
für die
suchtbegünstigende Wirkung von Methylphenidat, andererseits weisen einige
klinische Arbeiten in die entgegengesetzte Richtung. Kinder mit HKS, die mit
Methylphenidat behandelt wurden, scheinen gemäß der letztgenannten Studien
gegenüber Suchterkrankungen weniger anfällig als nicht medikamentös behandelte
Kinder mit HKS. In der medikamentös behandelten Gruppe sinkt jedoch das
Suchtrisiko nicht unter das der Normalbevölkerung, so dass allen Überlegungen,
mit Methylphenidat das Drogenproblem schlechthin lösen zu wollen, eine Absage
erteilt werden muss. In den genannten Studien konnte das bei Kindern mit HKS
erhöhte Suchtrisiko lediglich auf das Normalmaß reduziert werden.
Im Rahmen der
erforderlichen engmaschigen ärztlichen Betreuung sollte der mangelnden
Compliance der Kinder mit gezielten Auslassversuchen - am günstigsten in den
grossen Ferien - entgegengewirkt werden. Erfolgen die Auslassversuche geplant
und unter direkter Einbeziehung aller Beteiligten einschließlich des
Lehrpersonals, so ergibt sich ein umfassendes Bild der bisherigen
Medikationseffekte und die Möglichkeit, die weitere Notwendigkeit der
pharmakologischen Behandlung zum Wohle des Kindes einzuschätzen. Eine
Suchterkrankung als Langzeitfolge scheint - wenn überhaupt - nicht auf
Methylphenidat, sondern auf das ohnehin erhöhte Suchtrisiko von Kindern mit HKS
insbesondere in Kombination mit einer Störung des Sozialverhaltens
zurückzuführen sein. Die beschriebenen günstigen Langzeiteffekte auf die
Suchtentwicklung sind möglicherweise durch eine Stabilisierung der schulischen
und familiären Situation desKindes sowie auf die Reduktion seiner Frustration
in nahezu allen Lebensbereichen zurückzuführen.
Jürgen Walter
führt in der Heilpädagogische Forschung (2001, Heft 3) einen Literaturüberblick
auf der Basis US-amerikanischer Forschung unter dem Titel "Kann Ritalin
(Methylphenidat) die Schulleistungen von Schülern
mit
Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsproblemen verbessern?" durch. Er
beschäftigt sich vor allem mit der Wirkung von Ritalin speziell auf den Lern-
und Schulleistungsbereich. Als Haupteffekt der medikamentösen Behandlung kann
die kurzfristige verhaltensmäßige "Handhabbarkeit" von
hyperkinetischen Kindern betrachtet werden. Verbesserungen im Verhalten werden
mit hoher Wahrscheinlichkeit von sehr geringen Verbesserungen im
Schulleistungsbereich begleitet. Da relativ positive Lehrerurteile von
Schulleistungsverbesserungen auf der einen Seite durch spezielle Tests auf der
anderen Seite kaum bestätigt werden konnten, sind bei einer Evaluation des
Einflusses auf die Schulleistung unabhängige Messungen vorzunehmen. Als
Erklärung für das vermeintliche Paradoxon, dass Psychostimulantia zwar relativ
verlässlich die Kernsymptomatik verbessern, jedoch mittel- und langfristig kaum
die Schulleistungen, kann plausiblerweise angenommen werden, dass Ritalin per
se (a) wohl kaum Wissens- und Kompetenzdefizite ausgleichen kann und (b) hohe
Aufmerksamkeit, niedrige Impulsivität und geringe Hyperaktivität zwar
notwendige, aber bei weitem noch keine ausreichenden Determinanten von
Schulleistung sind.
An der Universität
Nottingham erforscht man im Projekt “Motivation, Inhibition and Development in
ADHD Study” (MIDAS), was im Gehirn von Kindern mit AHDS vor sich geht. Dabei
mussten die Kinder verschiedene Aufgaben bewältigen und es zeigte sich, dass
beinahe der gleiche Effekt wie bei der Verabreichung von Ritalin erzielt wurde,
wenn die Kinder für richtige Lösungen Belohnungen wie Lob erhielten. Die
Auswirkungen von Medikation und Belohnung wurden auch im EEG sichtbar, denn
nach der Rückmeldung der richtigen Lösung kommt es jeweils zu
ereigniskorrelierten Potenzialen. Zwar zeigten die Belohnungen bei Kindern mit
AHDS eine
etwas schwächere
Wirkung als die medikamentöse Therapie, aber vor allem bei leichten
Erkrankungsfällen kann offensichtlich auch mit erzieherischen Maßnahmen eine
Wirkung erzielt werden, während man Ritalin oder vergleichbare Medikamente auf
schwere Erkrankungen beschränken sollte.
Belohnung statt Ritalin
1986
veröffentlichte das International Journal of the Addictions eine vergleichende
Studie über mehr als hundert wissenschaftliche Publikationen, die sich mit den
Nebenwirkungen von Ritalin auseinandersetzen. Dazu
gehören unter
anderem: paranoide Psychosen und Wahnvorstellungen, hypomanische und manische
Symptome, Halluzinationen, extreme Abkapselung, Angstzustände, Schlaflosigkeit,
Suchtgefahr, psychische Abhängigkeit, Nervenzuckungen und Verkrampfungen,
Aggressivität. Die US-Streitkräfte weigern sich, Rekruten aufzunehmen, die
Ritalin oder ähnliche psychoaktive steuernde Medikamente einnehmen. Für
dienstuntauglich wird erklärt,
wer als Kind auf
Ritalin gesetzt wurde und die pharmazeutische Droge nicht mehr benutzt. Hinzu
kommt, daß gerade Kinder häufig nicht nur Ritalin erhalten, sondern zusätzlich
noch Antidepressiva ( Prozac etc.). Diese Kombination erhöht das
Gesundheitsrisiko deutlich und kann zu starken emotionalen Schwankungen führen.
Im November 1998
führte das amerikanische National Institute of Mental Health eine Tagung durch,
welche ein für alle Mal die Ursache für ADS klären sollte. Man kam zum Schluss,
dass ADS keine sichere Diagnose sei
und es keine
wissenschaftlichen Resultate gebe, die belegen würden, dass ADS auf eine
Fehlfunktion des Gehirns zurückzuführen sei. Außerdem hätten sich bei der
Anwendung von Ritalin keine positiven Langzeitwirkungen eingestellt.
1996 deckte ein
Femsehreport auf, daß die größte amerikanische Non-Profit-Organisation, die
sich mit ADS auseinandersetzt und Informationskampagnen an Schulen,
öffentlichen Veranstaltungen und in den Medien betreibt,
vom
Ritalin-Hersteller Ciba-Geigy (heute Novartis) in Millionenhöhe gesponsert
wird. 90% der gesamten Ritalin-Produktion werden in den USA abgesetzt. Wurden
1988 noch zwei Tonnen Tabletten verschrieben, so waren es 1997 bereits 14
Tonnen! Bereits über sechs Millionen US-Schulkinder stehen unter dem Einfluß
von Ritalin.
Weshalb
psychoaktive Medikamente in den USA einen solchen Boom erleben, hat mit dem
amerikanischen Gesundheitssystem zu tun: Über 90% der Leute sind in sogenannten
"Managed Care"-Systemen versichert, wo stark
auf die Kosten
geachtet wird. Mit anderen Worten: Die persönliche Betreuung durch Therapeuten
wird durch die Einnahme von Psychopharmaka ersetzt. Psychotherapeutische
Behandlung wird von den Kassen nicht bezahlt, Ritalin schon. Aus diesem Grund
sind in den USA die Ausgaben für psychiatrische Behandlungen um 80% gesunken.
Der amerikanische Kinderarzt, Familientherapeut und Ritalin-Kritiker Lawrence
Diller: "Es fällt uns so viel leichter, bei einem Kind eine Störung
festzustellen und ihm Tabletten zu geben, als auf seine Bedürfnisse
einzugehen."
Argumente der
Ritalin-Gegner
Quelle:
http://www.tolzin.de/ritalin/ (02-02-02)
Alle
Krankheitsmodelle sind immer Vereinfachungen meist sehr komplexer und
individuell sehr unterschiedlich ablaufender Prozesse. Sie zeichnen sich also
durch unzulässige Verallgemeinerungen, durch Überbetonungen einzelner Aspekte
und redaktionistische Vernachlässigungen anderer Aspekte des Prozesses aus, der
zu dem Zustand führt, den wir als spezifische Erkrankung abgrenzen. Dennoch
brauchen wir solche Modelle, um den krankmachenden Prozess verstehen,
rechtzeitig erkennen und gegebenenfalls korrigieren zu können. Da die Korrektur
eines solchen Prozesses um so leichter fällt, je früher sie erfolgt, sind vor
allem solche Krankheitsmodelle
von besonderem Wert,
aus denen sich präventiv nutzbare, diagnostische und therapeutische
Handlungsstrategien ableiten lassen.
Auf der Grundlage
der inzwischen hinzugekommenen neueren Befunde und der inzwischen möglich
gewordenen Neubewertung bereits vorhandener Resultate kann nun versucht werden,
eine Modellvorstellung des Prozesses
zu entwerfen, der
zur Ausbildung einer Symptomatik führt, die gegenwärtig als Krankheitsentität
verstanden und als ADHD bezeichnet wird. Im Gegensatz zu der bisher
verwendeten, inzwischen aber recht fragwürdig
gewordenen
Argumentationskette zeichnet sich dieses neue Denkmodell dadurch aus, dass es
den gegenwärtigen Erkenntnisstand nicht nur auf dem Gebiet der
neurobiologischen ADHD-Forschung, sondern auch dem der Entwicklungsbiologie und
Entwicklungspsychologie entspricht und sich daraus ableiten läßt.
Dieses Modell geht
davon aus, dass es Kinder gibt, die bereits als Neugeborene und während ihrer
Kleinkindphase erheblich wacher, aufgeweckter, neugieriger und leichter
stimulierbar sind als andere. Weshalb das so ist, ob
diese Kinder zum
Zeitpunkt ihrer Geburt bereits ein stärker ausgebildetes dopaminerges, ihren
Antrieb verstärkendes System besitzen, ob dieses Merkmal genetisch bedingt oder
erst während der intrauterinen oder frühen postnatalen Entwicklung entstanden
ist, kann zunächst offen bleiben. Wichtiger als diese mitgebrachte besondere
"Begabung" ist das, was das Kind im weiteren Verlauf seiner
Entwicklung während der ersten Lebensjahre
daraus macht, bzw.
machen muss. Da die weitere Ausreifung des dopaminergen Projektionsbaumes
offenbar davon abhängt, wie häufig das dopaminerge System durch die Wahrnehmung
neuer Stimuli und Reize aktiviert
wird, laufen
Kinder, die mit dieser besonderen Wachheit und Stimulierbarkeit in unsere Welt
hineinwachsen, all zu leicht Gefahr, in einen Teufelskreis zu geraten:
Da sie bereits
besonders aufgeweckt und all zu leicht durch neue Stimuli stimulierbar sind,
wird ihr dopaminerges System wesentlich häufiger als das von anderen,
"normalen" Kindern aktiviert und zu verstärktem Auswachsen seiner
axonalen Fortsätze angeregt. Weil sich ihr dopaminerges, antriebssteuerndes
System so immer besser entwickelt und damit auch wirkungsvoller arbeitet,
lassen sich diese Kinder immer leichter durch alle möglichen neuartigen Reize
stimulieren und anregen. Gelingt es jetzt nicht, diesen Teufelskreis zu
durchbrechen, so ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann ein derartiges Kind
durch seinen überstarken Antrieb, seine enorme innere
Unruhe, seine
ständige Suche nach neuen Stimuli, also durch seine Ablenkbarkeit und mangelnde
Konzentrationsfähigkeit auffällig wird. Aus sich selbst heraus ist ein solches
Kind außer Stande, seinen überstarken Antrieb zu kontrollieren, es muss
gewissermaßen ständig herumzappeln und ständig Neues entdecken und sich darüber
begeistern, anstatt sich auf eine Sache zu konzentrieren. Und es wird nun auch
zunehmend zu einer Belastung für Spielgefährten, die es ablehnen, für Eltern
und Erzieher, die nicht damit umgehen können und seine weitere Entwicklung
(spätestens mit dem Schuleintritt) gefährdet sehen.
So gerät das Kind
zwangsläufig in einen zweiten Circulus vitiosus: Durch die besonders häufige
und intensive Nutzung der in seinem Gehirn angelegten und für die Steuerung
seiner ungerichteten Motorik, seiner unselektiven Wahrnehmung und seiner
ungezielten Aufmerksamkeit zuständigen Nervenzellverschaltungen sind diese
komplexen Verschaltungsmuster im Laufe der Zeit immer besser, immer effektiver
- und andere, weniger intensiv
benutzte neuronale
Verschaltungen entsprechend weniger stark - entwickelt und ausgebaut worden.
Wenn das Kind nun durch sein Verhalten zunehmend in psychosoziale Konflikte
gerät und emotional verunsichert wird,
kommt es im Zuge
der dadurch ausgelösten Stressreaktion zu einer vermehrten Ausschüttung von
bestimmten Transmittern und Hormonen, die ihrerseits nun noch zusätzlich dazu
beitragen, diejenigen neuronalen
Verschaltungen und
synaptischen Verbindungen zu stabilisieren und zu bahnen, die das Kind zur
Wiederherstellung seines emotionalen Gleichgewichtes aktiviert (Hüther 1998).
Versucht es das durch Zappeln, so wird es zu
einem immer
"besseren" Zappelphilipp und entwickelt womöglich sogar noch einen
motorischen Tic. Versucht es das durch Stören, wird es zu einem immer
"besseren" Störenfried und entwickelt sich zu einem ungeliebten
Außenseiter. Versucht es das durch Weghören, wird es zunächst auf einem,
womöglich gar auf beiden Ohren "taub". Wenn sich irgendwann keiner mehr anders zu helfen
weiß, bekommt es Ritalin verordnet. Und wie es dann weitergeht, ist weiter oben
bereits beschrieben worden.
Ob die hier
entwickelte Modellvorstellung sich in Zukunft als tragfähig und zumindest in
groben Zügen als zutreffend erweist, hängt nicht von der Art der Veränderungen
ab, die sich im Hirn eines ADHD-Kindes abspielen, sondern von dem heuristischen
Wert, den dieses Konzept besitzt, und der nun durch gezielte Untersuchung und
möglichst frühe therapeutische Interventionen geprüft werden kann und überprüft
werden muss. Entscheidend ist,
ob es gelingt,
solchen Kindern, die sich bereits sehr früh durch außergewöhnliche
Aufgewecktheit und Stimulierbarkeit auszeichnen, durch vorausschauende
erzieherische Maßnahmen (sichere Bindungen, Strukturierung des Tagesablaufes,
Schaffung eines ruhigen und gehaltenen Entwicklungsumfeldes) aus dem
Teufelskreis der Selbststimulation und der dadurch verursachten emotionalen
Verunsicherung herauszuführen. Auch wie ihr dopaminerges System und alle
anderen "Anomalien" in ihrem Gehirn sich dann entwickeln, bleibt -
bis zur empirischen Bestätigung dessen, was dieses neue Modell vorhersagt -
abzuwarten.
Ein neues
entwicklungsbiologisch und entwicklungsphysiologisch begründetes Modell
Quelle:
http://www.ads-kritik.de/HuetherStudie.htm (02-03-13)
Unter dem Titel
"10 Milligramm Arbeitswut - Ritalin ist die Modepille der
Leistungsgesellschaft. Ein Selbstversuch" berichtet die Schweizer
Journalistin Brigit Schmid von einem Selbstversuch. Sie schreibt: "Der
Zustand,
in den mich
Ritalin während sieben Tagen versetzt, könnte das treffen, was der
Neuropsychologe Hennric Jokeit «Abstraktion des Ich von sich selbst» nennt. Im
Essay «Neurokapitalismus» beschreiben er und die Journalistin
Ewa Hess ein
Zusammengehen von Kapitalismus, Neurowissenschaft und pharmazeutischer
Industrie. Der Wohlstandskapitalismus hat dazu geführt, dass wir uns unablässig
selbst verwirklichen wollen. Das erleichtern uns
heute
Neuropsychopharmaka, die das emotionale Erleben modulieren und die
aufmerksamkeitsökonomische «Fitness» verbessern. «Angebot und subjektive
Bedürftigkeit erzeugen einen Markt, der Milliarden umsetzt und
dort expandieren
wird, wo sich das postpostmoderne Selbst in der Leistungsgesellschaft defizitär
erlebt, also in Schule, Ausbildung, Beruf, Partnerschaft und im Alter.»
Beschleunigungstechnologien der Globalisierung wie
Handy, Flugzeug
und Internet zwingen uns, unsere Aufmerksamkeit chemisch zu beeinflussen. Nach
der Rationalisierung von Raum und Zeit folgt der Angriff aufs Ich: Ritalin
befähigt, persönliche Grenzen zu überwinden,
um Schritt halten
zu können. Gleichzeitig wird so die kapitalistische Produktivität gesteigert.
Jeder Chef hätte Freude, wenn er meinen Arbeitseinsatz sähe. Andere Bedürfnisse
werden vernachlässigbar. In Jokeits Worten:
«Mit der
Pharmakologie zur kognitiven Leistungssteigerung werden Human Resources auf
neuronaler Ebene des Selbst angezapft. Was folgt, ist die Abstraktion des Ich
von sich selbst.»"
Quelle: http://dasmagazin.ch/
index.php/10-milligramm-arbeitswut/
(09-08-29)
Immer mehr Eltern
versagen in ihrer Erziehung. Dann wird den paranoiden Kindern eine besonders
heimtückische Chemikalie verpasst: Ritalin. In Amerika bekommen bis zu 90% der
Kinder einer Schulklasse Ritalin.
Frühmorgens
schließt der Direktor den Tresor im Direktorenzimmer auf, um ihm die Behälter
mit den Betäubungsmitteln zu entnehmen. Sodann werden die Gefäße auf die
Schulklassen verteilt. Die Klassenlehrer verabreichen
den Kindern vor Unterrichtsbeginn die
verordnete Dosis. In der Schulpause dealen die Kinder mit überschüssigem Ritalin,
das sie sich in ihren Backen vor dem Runterschlucken gehortet haben. Schwächere
werden wegen
ihrer Ritalindosis
erpresst, Rezepte sind die Währung an den Schulen. Mit den Rezepten wird ein
schwunghafter Handel getrieben. Erpressung und Drohungen sind an der
Tagesordnung. Eltern melden ihren gesamten
Nachwuchs zur
ADS-Störung ein, auch wenn die Kinder gar nicht aufmerksamkeitsgestört sind.
Die Ärzte willigen gern ein. Den Kindern werden Placebos gegeben, und die
Eltern nehmen die Tabletten des Kindes selber ein,
um von ihren
Problemen distanziert zu werden.
[Alltag in so
manchen amerikanischen Städten]
Dumm nur, dass
Ritalin selbst bei denjenigen Kindern, die die Chemikalie
"bestimmungsgemäß" verabreicht bekommen, keine wirkliche
Aufmerksamkeit verursacht. Die Kinder scheinen nur konzentriert und ruhig; in
Wirklichkeit gehen sämtliche Lerninhalte an ihrem Gedächtnis spurlos vorüber.
Unterrichtsstoff bleibt nur im Kurzzeitgedächtnis, ein dauerhaftes Merken im
Langzeitgedächtnis ist aufgrund der Substanzwirkung unmöglich.
Dies rächt sich
später - Langzeitwirkungen wurden nie erforscht und treten erst jetzt so
langsam hervor. Die Ritalin-Kinder von heute sind die Menschen mit einem IQ von
<50 von morgen. Ritalinkinder sind die Opfer ihrer
Eltern, die sie
auf chemische Weise zügeln und vom Lernen abhalten.
Aus einer
newsgroup
Subject: Ritalin =
Erziehungschemikalie
Date: Sun, 14 Oct
2001 23:42:00
Newsgroup:
de.sci.psychologie
vor allem die
Differentialdiagnose liegt ja im argen.
aber vielleicht
sollte man auch in der Ritalindebatte berücksichtigen, dass ja das ziel des
medikamenteneinwurfs - nämlich KONZENTRIERTE Kinder zu bekommen - ja nur ein Aspekt
ist, denn es kann doch letztlich nur
darum gehen, dass
diese Kinder besser/mehr/überhaupt lernen. diese Untersuchungen habe ich bisher
noch nicht gesehen! vielmehr müsste man so nach meinem Wissensstand annehmen,
dass genau in jene Gehirnzentren inhibitorisch eingegriffen wird, die für eine
dauerhafte Speicherung der Lerninhalte verantwortlich sind.
Die mit Medikamenten
erreichbare Konzentration bezieht sich also nur auf das äußere
Erscheinungsbild, NICHT aber auf die intendierten effekte, um die es ja
angeblich gehen soll.
Du meinst, dass
durch Ritalin letztlich so in die hirnorganischen Verarbeitungsprozesse
eingegriffen wird, daß „Lernen“, also das Speichern von Informationen,
beeinträchtigt wird? Dass also zwei gegensätzliche Effekte
entstehen:
einerseits Steigerung von Aufmerksamkeit/Konzentration, andererseits die
Hemmung von Verarbeitungsprozessen? Zumindest eine offene Frage.
Mir ist zumindest
eine Theorie bekannt, die dies verneint. Demnach werden drei verschiedene
Aufmerksamkeitsnetzwerke mit verschiedenen beteiligten Hirnarealen postuliert.
Dabei soll das Wachsamkeitsnetzwerk
(rechter
Frontallappen und rechter Parietallappen) die Daueraufmerksamkeit erhöhen und
mit dem Neurotransmitter Noradrenalin in Zusammenhang stehen.
Je nach Fehlen von
Noradrenalin bzw. Aktivierung/Deaktivierung dieses Wachsamkeitsnetzwerkes
bestünden unterschiedliche Funktionszustände. Bei Deaktivierung grundsätzlich
eine geringere Daueraufmerksamkeit mit
einer
Aufmerksamkeitsfokussierung eher auf äußere und sich wechselnde Reize, die eine
äußere Neuorientierung eher begünstigt - bei Aktivierung eine höhere
Daueraufmerksamkeit, bei der das Orientierungssystem so
organisiert ist,
dass aus den internen Speichern abgerufene Informationen schneller und besser
abgerufen, beachtet und gespeichert werden können.
D.h. die
angenommene Widersprüchlichkeit von Aufmerksamkeit als äußeres Erscheinungsbild
und kognitiver Verarbeitung/Lernprozessen wäre nach dieser Theorie zumindest
nicht anzunehmen.
Allerdings finde
ich es durchaus bemerkenswert, dass sich bei solchen Darstellungen fast
nebensächlich lapidar der Hinweis findet, daß bestimmte Funktionen innerhalb
dieser Netzwerke wesentlich beeinflusst werden durch Informationen aus Zentren,
die für *emotionale Bewertungen* zuständig sind. Daraus wird dann der Schluss
gezogen, daß dies die emotionalen Stimmungsschwankungen als Folge erklärt.
Der Umkehrschluss,
nämlich daß emotionale Faktoren einen wesentlichen bedingenden Faktor
darstellen können, wird erst gar nicht in Erwägung gezogen.
Aber noch eine
andere ungeklärte Frage sollte in der Ritalindebatte Anlass zur Sorge geben:
bisher noch weitgehend unerforscht sind die Auswirkungen auf die „Entwicklung“
des Gehirns. Erste Befunde aus Rattenexperimenten weisen darauf hin, daß
Ritalin die Entwicklung des dopaminergen Systems negativ beeinflusst - und je
jünger bei Behandlungsbeginn, um so bedenklicher. (Veröffentlichungen,
zumindest in deutscher Sprache, sind mir noch
keine bekannt,
lediglich Pressemeldungen und mündliche Sekundärberichte von Kongressen,
deshalb nichts genaues).
Wenn dies sich
bestätigt, dann beist sich die Ratte in den Schwanz.
Blanz, B.; Esser,
G. & Schmidt, M.H. (1992). Arzneimittelkonsum bei Jugendlichen und jungen
Erwachsenen. Pädiatrische Praxis, 44, 151-158.
Blanz, Esser und
Schmidt (1992) stellen die aus Fragebogenangaben der Betroffenen gewonnenen
Angaben über den hohen Arzneimittelkonsum (insbesondere Psychopharmaka) von
Jugendlichen in Frage. Zieht man nämlich alternativ die Statistik der
ambulanten Arzneimittelverordnung hinzu, so ergibt sich, daß alle Patienten im
Jahr 1985 16,2 Tagsdosen Psychopharmaka erhalten hatten, Kinder unter 14
dagegen nur 0,63 Tagesdosen.
Blanz et al.
werten die Ergebnisse einer Längsschnittstudie aus. 1978/79 wurden 216
8-jährige einer repräsentativen Stichprobe untersucht. 191 dieser Kinder wurden
als 13-jährige und 181 nochmals als 18-jährige nachgefragt.
Das
Instrumentarium, das dabei zum Einsatz kam, bestand aus hochstrukturierten
Interviews, die sowohl mit den Jugendlichen als auch mit ihren Eltern geführt
wurden. Im Alter von 13 bis 18 gab es tatsächlich eine
Verdopplung des
Konsums von Arzneimitteln insgesamt, der jedoch größtenteils auf die Einnahme
von Medikamenten nach ärztlicher Verordnung für einen bestimmten Zeitraum
zurückging.
Beim Vergleich von
verordnetem Arzneimittelkonsum und Arzneimittelmissbrauch ergab sich folgende
Bild: Nur sehr wenige Jugendliche nahmen Arzneimittel überhaupt unverordnet
ein. Im Alter von 13 bis 18 gab es zudem keinen Anstieg des
Arzneimittelmissbrauchs, der aus der Gruppe derjenigen Jugendlichen, die
Arzneimittel aufgrund Verordnung nahmen, genommen wurde. D.h. häufiges
Einnehmen von Medikamenten aufgrund ärztlicher Verordnung führt nicht zu
häufigerem Arzneimittelmissbrauch
(...)
... in den USA.
Immerhin gibt es aber dort die Studie von Lambert (Lambert NM, Hartsough CS. Prospective
study of tobacco smoking and substance dependencies among samples of ADHD and
non-ADHD participants.
Learn Disability
1998; 31:533-544). Darin wurden Kinder im Langzeitverlauf beobachtet, und bei
hyperaktiven Kindern mit Ritalinbehandlung auf ein in der späteren Adoleszenz
erhöhtes Risiko für Nikotin- und Kokainmissbrauch geschlossen.
Wichtig ist
allerdings zu berücksichtigen, wie hoch ohnedies -- also ohne Ritalinbehandlung
-- bei der betreffenden Personengruppe das Risiko für eine Abhängigkeit ist. Es
wird verschiedentlich argumentiert, dass die hyperaktiven/unaufmerksamen Kinder
häufiger anecken, kritisiert werden, sich ausgeschlossen fühlen, und daher zu
psychoaktiven Substanzen greifen.
Biederman (Biederman,-J; Wilens,-T; Mick,-E;
Spencer,-T; Faraone,-S-V: Pharmacotherapy of attention-deficit/hyperactivity
disorder reduces risk for substance use disorder. Pediatrics. 1999 Aug; 104(2): e20) hält denn
auch dafür, dass
das von vornherein hohe Risiko für Abhängigkeitsentwicklung bei dieser
Personengruppe durch eine Ritalinbehandlung eher gesenkt wird.
In Deutschland hat
Michael Huß (Psychologe und Kinderarzt) Erwachsene untersucht, die als Kinder
hyperaktiv waren, und kommt zu dem Schluss, daß eine Ritalinbehandlung nicht zu
erhöhten Drogenkonsum führt
(Huß M,
Schmidt-Schulz, A., Hoffman, K., Vogel, R., Schul7, C., Lehmkuhl, U. (1999).
Entwicklungsverläufe von Kindern mit Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADS). die
Akzente 46, 12-16 [die AKZENTE: Zeitschrift vom ARBEITSKREIS ÜBERAKTIVES KIND])
Ich schätze mal,
nichts genaues weiß man also bislang noch nicht, und weitere
Langzeitbeobachtungen sind notwendig. Allerdings, sollte es einen Risikofaktor
darstellen, kann die Alternative außer im gänzlichen Verzicht auf Ritalin auch
darin bestehen, präventive Maßnahmen gegen eine Abhängigkeitsentwicklung von
anderen Substanzen zu ergreifen.
(...)
die
Biederman-Studie, die in etwa diese Schlüsse zieht, ist on-line erreichbar
unter
http://www.pediatrics.org/cgi/content/full/104/2/e20
Dort werden 56 medikamentös behandelte Patienten mit ADHD (es wird nur von
"stimulant medication" gesprochen, nicht von Ritalin), 19 nicht
Behandelte, sowie 137 Kontrollpersonen untersucht, und nach 4 Jahren nochmals
(Alter dann 15-22 Jahre).
In der Tat ist ein
Problem, daß eine Reihe von Risiko-Merkmalen mit Ritalin/non-Ritalin in dieser
Studie konfundiert sind, so eine (psychiatrische) Behandlung bei baseline, der
soziooekonomische Status, o. Suchtprobleme
in der Familie.
Allerdings kommen auch nach Adjustierung für diese Faktoren in einer multiplen
logistischen Regression die Autoren zu dem Schluss, daß die Wahrscheinlichkeit
für eine substanzinduzierte Störung während
der
Beobachtungszeit durch die medikamentöse Behandlung verringert ist.
Ihre references
habe ich nicht gecheckt -- die Autoren selbst geben an, frühere Langzeitstudien
haetten zumindest kein Risikopotenzial der medikamentösen Behandlung
nachgewiesen. Insgesamt ist die empirische Basis bei
dem Thema wohl
noch schmal zu nennen, aber ich würde eher tendieren, kein generelles Risiko
anzunehmen.
(...)
Das ist eine
sicher recht interessante Arbeit, die auch eine gewisse Sensibilität für
methodische Probleme erkennen lässt. Allerdings wird ein entscheidendes Manko
nicht erwähnt: Der potentielle Substanzmissbrauch wird
durch Befragungen festgestellt.
Es lässt sich aber nicht ausschließen, dass die Bereitschaft,
Substanzmissbrauch einzuräumen, in den beiden entscheidenden Gruppen
(medikamentös behandelte vs. nicht medikamentös
behandelte
ADHDler) unterschiedlich ausgeprägt war. Man könnte sich durchaus vorstellen,
dass die medikamentös Behandelten tendenziell dazu neigten, ihren Drogenkonsum
zu untertreiben bzw. zu verleugnen. Schließlich
darf vermutet
werden, dass sie und ihre Eltern während der Behandlung positiv auf das
Medikament eingestimmt wurden. Daher könnten sie es z. B. als sozial erwünscht
erlebt haben, (illegalen) Drogenkonsum zu verheimlichen oder zu
bagatellisieren. Es hat sich zwar in diversen Untersuchungen gezeigt, dass
Drogenkonsumenten bei Befragungen zum Drogenkonsum in der Regel erstaunlich
ehrlich sind. Aber es ist keineswegs sicher, dass sich diese Befunde auf die
vorliegende Studie übertragen lassen. Dieses Problem kann man im Grunde nur
durch unangekündigte objektive Drogentests überwinden.
Aus theoretischer
Sicht ist das Problem nicht einfacher zu beurteilen als aus empirischer:
Möglichkeit 1: Die
medikamentöse Behandlung hat keinen Einfluss auf eine spätere
Drogenabhängigkeit. Dafür spricht, dass es bei Suchtkarrieren weniger auf die
Einnahme der Droge an sich, sondern vielmehr auf das Motiv
zur Einnahme
ankommt. Wer potentiell Sucht erregende Medikamente (e. g. Morphin zur
Schmerzlinderung) im Rahmen einer ärztlichen Behandlung bekommt, wird in der
Regel nicht süchtig. Wer Drogen zur Auslösung
einer Euphorie benutzt
oder zur Problemverdrängung, setzt sich natürlich einem wesentlich größeren
Risiko aus.
Möglichkeit 2: Die
medikamentöse Behandlung fördert eine spätere Drogenabhängigkeit. ADHD wird mit
stimmungsverändernden (psychotropen) Medikamenten behandelt. Es beseitigt
quälende oder andere störende
Symptome. Der
Betroffene gewöhnt sich daran, Missstimmungen durch Einnahme eines Medikaments
gleichsam auf Knopfdruck zu überwinden.
Möglichkeit 3: Die
medikamentöse Behandlung senkt die Wahrscheinlichkeit eines späteren
Drogenkonsums. Die medikamentöse Behandlung führt zu einer besseren sozialen
Anpassung, besseren Schulleistungen etc.
Dies reduziert die
Zahl und Schwere der Lebensprobleme und mindert somit das Suchtrisiko.
Diese drei
Möglichkeiten beschreiben im übrigen potentielle Einflussfaktoren, die sich aus
meiner Sicht nicht ausschließen müssen. Es sind vielmehr Kräfte, die
gleichzeitig einwirken und den Betroffenen entsprechend
ihrer relativen
Stärke in unterschiedliche Richtungen ziehen können. Und diese drei
Möglichkeiten sind sicher nicht die einzigen Faktoren, die berücksichtigt
werden müssen. Und so würde ich den Schluss von
Biederman et al.,
die medikamentöse Behandlung (Ritalin) beuge dem Drogenmissbrauch vor, mit
einem großen Fragezeichen versehen.
(...)
Weitgehend ack.
Wenn die Fallzahl in der unbehandelten Gruppe nicht so klein wäre, würde ich
allerdings den Unterschied von 25% vs. 75% für Substanzkonsum für zu groß
halten, um ihn allein über Methoden/expectancy Effekte zu erklären. So ist es
schwer abzuschätzen.
Das ist im
weiteren dann eine empirische Frage: wird tatsächlich in der beschriebenen
Weise auch auf andere unangenehme Zustände und auf andere Gegenmittel
generalisiert.
Ich bin kein
Pharmakologe, aber vielleicht setzen andere psychotrope Substanzen direkt oder
indirekt an dem an, was der Betroffene verringern möchte? Will meinen, ohne
medikamentöse Behandlung könnte ein Bedürfnis bestehen, den eigenen
Transmitterhaushalt durch Konsum anderer Substanzen (Nikotin, Kokain...? zu
regulieren, oder die unmittelbaren Folgen der bestehenden Disregulation zu
mindern bzw. zuzudecken. Insofern wäre eine Behandlung hypothetisch Risiko
verringernd.
Ich würde auf
Basis der vorliegenden Empirie lediglich die Aussage für vertretbar halten,
dass es keinen zusätzlichen Risikofaktor darstellt.
Ausschnitte aus
der Diskussion in der newsgroup
Subject: Re: ADS, ADHS, HKS,...
Date: Tue, 20 Nov 2001
Newsgroup: de.sci.psychologie
Seit dem 1.Juli
1998 ist die Änderung des Straßenverkehrsgesetzes vom 28.4.98 in Kraft, wonach
ordnungswidrig handelt (d.h. mit Bußgeld belegt werden kann), wer unter der
Wirkung eines (näher bezeichneten)
berauschenden
Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt.
Hierbei genügt der
einfache Nachweis dieses Mittels im Blut, wobei es nicht auf die Konzentration
ankommt, wie etwa bei Alkohol.
Da Fahrräder keine
Kraftfahrzeuge sind, fallen diese nicht unter diese Vorschrift.
Das Gesetz sieht
dann jedoch die entscheidende Ausnahme vor: wenn diese berauschende Substanz
aus einer bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall
verschriebenen Arzneimittels
herrührt, so liegt
keine Ordnungswidrigkeit vor.
Ritalin wie auch
der alternative Amphetamin-Saft gehören grundsätzlich zu diesen verbotenen
berauschenden Mitteln, da das Gesetz hier keine Feingliederung vorsieht,
sondern nur Grundsubstanzen in einer angehängten
Liste bezeichnet,
welche nicht im Blut eines Kraftfahrers gefunden werden dürfen.
Soweit der Kraftfahrer
jedoch nachweisen kann, daß er auf ärztlicher Verordnung zur Behandlung von
ADD/HKS diese Substanz bestimmungsgemäß eingenommen hat, so entfällt der
Tatbestand der Ordnungswidrigkeit.
Da jedoch immer
wieder zu hören ist, daß auch manchmal Eltern betroffener Kinder in Form von
Selbstmedikation sich an den für ihre Kinder verschriebenen Präparaten
bedienen, möchte ich ausdrücklich davor warnen,
danach ein
Kraftfahrzeug zu steuern, solange noch Spuren des Mittels im Blut zu finden
sind. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu DM 3.000,-- belegt
werden.
Aus der BRD:
Ritalin im
Straßenverkehr
Quelle:
Bundesverband der Elterninitiativen zur Förderung hyperaktiver Kinder e.V.
WWW: http://www.osn.de/
user/hunter/ritalin.htm
(01-10-26)
Der Neurologe und
Schlafforscher Ronald Chervin (Universität Michigan) analysierte die Aussagen
der Eltern von 866 Kindern im Alter von 1 - 13 Jahren zum Schlafverhalten und
nach deren Impulsivität und Fähigkeit
zur Konzentration.
16% aller Kinder wurden von den Eltern als Schnarcher beschrieben. Von den
Kindern, die im Schlaf heftig schnarchen, litten 22% nach Einschätzung ihrer
Eltern unter Verhaltensstörungen wie Unaufmerksamkeit - im Vergleich zu 12% bei
gelegentlichen Schnarchern. Er erklärt den Zusammenhang damit, dass die vom
schlechten Schlaf erschöpften Kinder ihre Müdigkeit durch Hyperaktivität
auszugleichen
versuchen. Das
könnte auch erklären, warum paradoxerweise anregende Medikamente wie Ritalin
wirksame Mittel für Kinder mit Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsdefizit sind.
Quelle:
"Pediatrics" der Amerikanischen Ärztegesellschaft (AMA)
Hallo Herr Stangl,
Beim durchsehen
Ihrer Website war ich von Ihrem psychologischen Wissen angenehm überrascht. Der
Artikel über Ritalin hat mich jedoch erschrocken. Ich bin 40 Jahre alt und
nehme seit ca. 6 Monaten Ritalin. Endlich
weiß ich wer ich
bin! Ich war Penner, Drogensüchtig, Psychotiker etc. Dank Ritalin bin ich
endlich auf dem Wege der Genesung. Glauben Sie mir: Ritalin ist bei kompetenter
Einnahme harmlos.
Und Sie machen
dieses Geschenk des Himmels so madig. Dieser Ritalinbeitrag zeugt von großer
Unkenntnis der Materie. Nun ja, vielleicht sollten Sie sich mal in diesem
Bereich weiterbilden. Schade, der erste Eindruck
hat getäuscht.
Wenn Sie an Informationen von einem Betroffenen interessiert sind: Bitte schön,
ich stehe zu Ihrer Verfügung.
Mit freundlichem
Gruß
N.S.(Name der
Redaktion bekannt)
Subject: arbeitsblätter
Date: 03 Sep 2002 15:09 GMT
Do YOU need help or know somebody who needs help with
ADD/ADHD attention deficit (hyper)disorder? Have you thought about alternatives
to prescription drugs such as Ritalin and Adderall? Are you worried about the
dangerous of these drugs that are supposed to help you and your family?
Research has shown successfully throughout history that there is help. In 1990
Dr. Kenneth Blum discovered the gene for alcoholism. This led to
amazing research in the treatment for attention
deficit disorder. Dr. Kenneth Blum is the Father of Psychiatric genetics. He is
credited with discovering the gene for cocaine addiction. In 1995 he coined RDS
(= Reward
Deficiency Syndrome), which will forever change our
world. Steve Allen, the media great, is quoted as saying "with regard to
my former show where I interview the greatest minds-today I would interview Dr.
Blum, whose research on the genetics of alcoholism will change the world as we
see it today." http://www.mailpail.com Dr. Kenneth Blum who has been in
private practice his entire career is finally going to help the public. He
recently
put global patents on a product that will forever
change the world of ADD/ADHD. http://www.mailpail.com Dr. Blum's Reward product
is 100% natural. Reward5 helps people control their lives, it is produced by
one of the
most well known, most respected doctors in the medical
industry. http://www.mailpail.com When tested according to the medical standard
of p levels, Reward 5 scored much higher p levels than both Ritalin and
Adderall.
Start helping yourself today! Understanding ADD/ADHD
is genetic based is how we are able to get such astounding results. We have had
Doctors who have failed with every product tell us that their patients are
seeing
results within the first 2 weeks. Order Yours Today!
http://www.mailpail.com
Vorwort/Suchen Zeichen/Abkürzungen Impressum